Sierra Leone – Und täglich grüßt der Dorfchef

Sierra Leone – Und täglich grüßt der Dorfchef

26.04.2019 – 30.04.2019

Diesmal: Hierarchisch geprägte Bevölkerungen erschweren das Buschcampen ein wenig

Freetown war ein kleiner Moloch, die Strände dafür umso besser. Wer für Strände nach Sierra Leone kommt, kann jetzt eigentlich wieder ausreisen, oder? Fast, wäre da nicht noch dieses kleine, absolut unbekannte Dorf am Meer namens Sulima, ganz im Südwesten von Sierra Leone. Man kann sich jetzt natürlich auch fragen, ob es sonst nichts in Sierra Leone zu erleben oder anzuschauen gibt. Ich sag mal: schwierig. Ja, es gibt die üblichen Verdächtigen “Must-sees”, wie Turtle Island und Tiwai Island. Aber wir sind nicht gewillt, überzogene Übernachtungspreise für Hängematten zu bezahlen, nur um dann mit NGO-Leuten rumzuhängen. Sonst kann sich das nämlich niemand leisten. Es gibt dann noch den Berg Bintumani ganz im Norden, 1900 Meter hoch und man kann hin- und raufwandern. Das hatte sich aber mit meinem Surfmatschfuß erledigt. Nur als Tipp, falls jemand da hoch will: Genug Geld für die Einheimischen mitnehmen, die haben wohl mittlerweile ein Business aus der Wegelagerei gemacht.

Einfach mal pennen? – Nix is!

Also nächster Strand. Bis dahin lag aber noch sehr viel von Sierra Leone und Dschungel vor uns. Eingefasst von Ölpalmen und Bananenstauden geht es auf feinstem Teer in Richtung Südwesten. Alles gleicht sich hier ziemlich: Kleine Dörfer, Lehmhäuser, Steinhäuser, generelles Rumsitzen der Einheimischen, die absolute Lethargie bei so ziemlich jedem Shopbetreiber. Ja sorry, dass ich deine komische Frucht kaufen will. Ja, Rückgeld wäre auch gut. Nein, ich will nicht dein Bushmeat kaufen. Fleisch gibts nur mit Knochen und Pansen im Set? Na dann halt nicht… So geht es durch die Lande bis wir einen schönen Platz kilometerweit weg von der Hauptstraße finden, am Fluss in einem Bambushain. Kein Mensch weit und breit. Kein Mensch? Nicht in Sierra Leone. Überall, wo Wege in den Urwald geschnitten wurden, führen dieser zu Menschen – ist nur eine Frage der Zeit. In dem Fall: drei Minuten. Wir stellen uns ja immer sehr weit weg von irgendwelchen Behausungen, das ist in Sierra Leone aber schwer möglich. Das Land gehört immer irgendwem (auch ein Novum bisher) und derjenige gehört zu einem Dorf. Und das heißt: Der Dorfchef und seine Vertrauten stimmen darüber ab, ob man dort pennen darf. Das Problem im Sierra Leonischen Nichts ist aber, dass der Begriff des Touristen nicht existiert. Es folgt also eine ausführliche Erklärung unsererseits dem Dorfchef und seinen Vertrauten gegenüber, was ein Tourist eigentlich macht: Ja keine Ahnung, er fährt umher und schaut sich die Landschaft, die Flüsse etc an. So ungefähr lief das; inkl. Sprachbarriere, weil dort natürlich kaum jemand englisch spricht (sondern Krio) und der eine im Dorf, der ein paar Brocken englisch drauf hat, das dann stolz wie Oskar übersetzen darf. Naja, zum Schluss wechselt ein symbolischer Geldbetrag von einem Euro die Hände und alle sind happy. Jetzt wird noch ein bisschen der Weiße angestarrt und das Konzept von einem fahrenden Haus verstanden. Nach diesem ca. einstündigen Prozedere heißt es dann endlich good night.

So lief das übrigens jede Nacht in Sierra Leone. Egal wie weit du dich im Dschungel, in Nichts, wähnst, es wird jemand vorbeikommen und dich zum Dorfchef führen. Und dann gehts wieder von vorne los. Ich schiebe es einfach mal auf die dichte Vegetation und mit dem damit zusammenhängenden nicht-Vorhandensein von wirklich freien Plätzen.

Und dann gibt es ja noch ne andere Sache: Bis 2002 herrschte hier Bürgerkieg, der, nach allem was wir so gehört haben, tiefe Missgunst und Misstrauen gegenüber allen anderen hinterlassen hat, die nicht deiner Community angehören. Kein Vertrauen, denn alle anderen wollen etwas von dir klauen. So liefs im Krieg, so läufts auch heute. Diese Einsichten erhalten wir aber erst, als die Flasche Schnaps sich dem Ende neigt.

Sulima

Nach dem kurzen Ausflug in lokale Gepflogenheiten, nun wirklich mal zum Meer. Der Weg dorthin war eher eine Seenplatte, es hatte die letzten Tage durchgeregnet. Es war ein wenig im-Matsch-rumwaten und Schlammfahren angesagt. Und es ging durch wunderschön dichten Urwald! Links und rechts alles zugewuchert – die grüne Wand, Sichtweite hinein unter 50 cm.

Irgendwann dann also Sulima. Früher wurden hier Diamanten von den Russen geschürft, dann kam der Krieg, dann nichts mehr. In der Mündung des Flusses liegt immer noch ein russisches Schiff vor Anker. Kapitän und Mechaniker sind wohl noch an Bord, stehen beide aber unter Hausarrest. Aus Gründen. Das Dorf selber ist wie jedes andere. Jeder Shop verkauft das gleiche Sammelsorium zwischen Brühwürfeln und Waschpulver. Irgendwer bäckt Brot für alle Shops und irgendwer verkauft Eier. Alle haben nicht so richtig Bock. Einkaufen wird zur Tagesaufgabe.

Der Strand selber ist natürlich nicht so grandios spektakulär wie die Strände rund um Freetown, dafür waren wir aber auch alleine, nachdem wir die Kinder nach den üblichen Anstarrminuten verscheucht haben. Das Wasser war aber nur zum angucken gut. Oder Suizid. Ordentliche Wellen und eine viel zu starke Strömung – nichts für Hundepaddeln. Dafür dann Guinness unter Palmen. Leider nicht zu vergleichen mit richtigem Guinness aus dem Fass.

Flex it!

Mehr Bilder gibts es hier und die gefahrene Route könnt ihr hier nachvollziehen.

2 Gedanken zu „Sierra Leone – Und täglich grüßt der Dorfchef

  1. Spektakuläre “Unterwasserstraßen” und die Frau wird vorgeschickt um die Tauchtiefe zu prüfen:)!Aber dem Fahrer wird auch einiges abverlangt- ein gutes Team.

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