Angola I – Unter Beschuss

Angola I – Unter Beschuss

11.09. – 18.09.2019

Diesmal: Die Antwort auf die Frage, ob immer alles problemlos lief

Nach dem ersten Kongo kommt der zweite Kongo. Oder auch nicht. Wie in unserem Fall. Da die angolanische Botschaft in Brazzaville (Republik Kongo) extrem unfähig war in ihrer Visaaustellungseigenschaft, mussten wir uns ein Online-Visum holen, mit dem man aber nur über Cabinda einreisen kann. Die klassische Kongo-Kongo Route entfällt damit.

Also Cabinda. Wir hatten diese ölreiche Exklave Angolas in unseren Köpfen zum Einstiegspunkt in das zivilisierte Afrika stilisiert. Fehlschuss. Im wahrsten Sinne des Wortes. Kalashnikov-Feuer in der Nacht. Auf uns.

Leute fragen uns immer, obs auf unserer Route irgendwelche Probleme gab. Bisher konnten wir das verneinen – nur den üblichen Westafrika-Bullshit. Aber jetzt können wir ne andere Story erzählen. Den nicht so üblichen Westafrika-Bullshit.

Also Cabinda. Hier spricht man Portugiesisch. Das gabs vorher schonmal in Guinea-Bissau. Also hieß es für Tan, nach dem ganzen Französisch wieder das Singsang vom Portugiesisch rauszuholen. Hilft auch ungemein, wenn man der versammelten lokalen Militärführung erklären will, was sie nicht für bekloppte Arschlöcher in ihren Reihen haben. Aber der Reihe nach.

Also Cabinda (jetzt aber!). Grenze dauert einige Stunden, ist aber ok, Land sieht aus wie immer, scheinbar doch noch Afrika. Wir sind auf der Suche nach nem Schlafplatz und fahren einen Strandabschnitt an. 19 Uhr. Runter von der Hauptstraße, rein in die Felder für 2,5 Kilometer. In der Dunkelheit sehen wir dann ne afrikanische Absperrung, ein Seil, und drehen wieder um. Plötzlich springt irgend ein Typ mit ner Kalashnikov im Anschlag 5 Meter vor dem Auto aus dem Busch, zielt auf uns und schreit wie am Spieß irgend einen Scheiß. Auf portugiesisch. Wir auf die Bremse, schreien zurück. Englisch, Portugiesisch, Französisch. Man weiß ja nicht, wen man da vor sich hat. Deutsch war eher unwahrscheinlich. Unsere Äußerungen, dass wir Touristen seien, hat ihn nicht weiter interessiert. Normalerweise klappt das. Es wurde weiter geschrien und mit der Kalashnikov rumgefuchtelt. In meinem Kopf lief schon das alte Spiel: Ist die Knifte geladen, funktioniert sie? Ich kam bei Nein raus. Nach jahrelangem Counterstrike spielen und auch mal so ne richtige schießen, sah mir dieses Exemplar doch sehr angegangen aus. Naja. Diese Gedanken wurden dann jäh von einem zweiten Individuum unterbrochen, das aus der Dunkelheit auf uns zukam und schrie, dass er die Schlüssel zum Auto wolle. Na klar. Auch der Zweite trug ganz normale Klamotten. Das roch nach Überfall. Solls ja geben. Zwei Weiße ergeben schon n ordentliches Sümmchen. Tja, was machste in so einer Situation. Der Reiseführer wird dir wahrscheinlich erzählen, dich deinem Schicksal zu ergeben. Wir haben aufs Gas getreten. Kopf runter und direkt auf den Typen mit der Kalashnikov zu. Nun fahren wir ja nen 4 Tonner mit mickrigem Motor, also hat sich das ganze nicht ganz so wie im Film abgespielt, sondern etwas gemächlicher. So, dass der Typ noch eine Millisekunde Zeit hatte, zur Seite zu springen und auf uns zu schießen. Mündungsfeuer im Augenwinkel. Wir unverletzt. Also weiter Gas geben, auf dem Feldweg entlang Richtung “Hauptstraße”. Sogleich hören wir noch zwei weitere Schüsse.

500 Meter gefahren und auf einmal ist die Bremse weg. Nichts. Durchtreten bis zum Blech. Egal, Auto fährt auch ohne Bremse. Wir können ja dann später ausrollen lassen. Weitere 500 Meter später fäng der Motor an zu stottern und wir machen ganz schnell aus. Ich hab da nämlich ne Kleinigkeit noch nicht erwähnt. An jenem Morgen wollte ich den Ölfilter wechseln, weil der alte getropft hat. Nachdem ich gesehen hab, wieviel Öl dabei herauskommt (nach unten montiert), hab ichs sein lassen. Musst ja nicht den ganzen Kram in die Pampa laufen lassen. Beim Festschrauben hab ich es allerdings ein wenig übertrieben, und nach fest kommt ab. Ein leises Knacken meldete dann auch den gebrochenen Bolzen. Wird schon halten bis in die nächste Stadt, ist ja noch ein zweiter Bolzen drin. Dachte ich mir.

Aber nein, der Ölfilter reißt in der beschissensten Situation ab. Und mit ihm alles Öl. Auto ohne Bremsen fährt noch, Auto ohne Öl fährt nicht mehr. Und dann stehste da in der angolanischen Pampa in der Dunkelheit und hörst die beiden Typen hinter dir herkommen. Also gut, Flip Flops aus, Machete in die eine Hand, wichtige Papiere in die anderen und barfuss in den nächsten Ort rennen war angesagt. Wir wussten ja, dass der nur 2-3km weg sein kann. Fun, Fun, Fun. Das letzt mal bin ich glaube ich in der Schule so ne Strecke gerannt. Ohne Machete allerdings. Und ohne bewaffnete Verfolger hinter mir.

Ich merk gerade das wird ein langer Artikel. Wer schöne Bilder erwartet hat, sollte sich lieber nochmal nen alten Artikel zu Gemüte ziehen.

Wir also in den nächsten Ort gerannt, zur Polizeistation.

Denen die ganze Nummer erzählt. Waren gar nicht so überrascht oder verwundert, haben dafür aber sofort zum Handy gegriffen und angefangen zu telefonieren. Ich kürze mal ab: Stellt sich raus, die Militärpolizei hat auf uns geschossen. Ja, der wild herumschreiende Typ ohne Polizeiuniform ist seit 36 Jahren bei der Militärpolizei. Wir dachten wir hören nicht richtig. Es kam dann aber noch besser, als 10 Minuten später eben dieser Typ ebenfalls auf der Polizeistation eintraf, immer noch rumbrüllend, mit der Kalashnikov in der Hand. Die wurde ihm dann auch gleich mal abgenommen, genauso wie mir meine Machete. Wäre ja auch sonst ein unfairer Kampf gewesen. Naja, es wurde noch kurz rumgeschrien und gestikuliert, aber an sich war ja jetzt alles klar. Alles klar? Hier seine Erklärung für das Vorgefallene: Die Militärs waren vor diesem Strand eingesetzt, um die Ölplattformen vor der Küste zu bewachen. Die dachten wir wollten… – ja was eigentlich? Keine Antwort. Warum Zivilklamotten? Keine Antwort. Warum kein sich-zu-erkennen-geben, man sei Polizei? Keine Antwort. Wirklich wissen werden wir es wohl nie.

Hätten wir noch das kleine Problem mit dem gestrandeten Auto. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht was los war, außer, dass es nicht mehr fuhr und definitiv abgeschleppt werden musste. Gesagt, getan. Ab in den Landcruiser der Polizei, direkt hinten auf die Pritsche, zusammen mit dem Rest der Truppe. Auch der Schreihals durfte mit, hatte sich immer noch nicht so recht beruhigt. Doch bevor die Abschleppung erfolgen konnte, musste natürlich der Tatort begutachtet werden, inkl. Spurensicherung. Ja, ich war auch überrascht. Also schön zu Fuss den Reifenspuren des Auto vom Ort des plötzlichen Stillstand zum Ort des ersten Rumschreiens ablaufen. Unterwegs wurde schon eine dezente Ölspur sichtbar und es wurden tatsächlich drei Patronenhülsen gefunden. Im Dunkeln. Ich war beeindruckt und der Oberchef zufrieden. Es ging dann im Schlepptau zurück zur Polizeistation, wo unser Auto nebenan geparkt wurde und wir uns erstmal ein paar Drinks genehmigten. Der komplette Abfuck kam dann erst am nächsten Tag zum Vorschein.

Der nächste Tag

Der uns am Tag zuvor versprochene Mechaniker stand tatsächlich pünktlichst am nächsten Morgen auf der Matte. Im grellen Tageslicht offenbarte sich auch das Ausmaß an Schlamassel des vorherigen Tages: Eine Kugel in der Felge, 2 cm neben dem Reifen! Ist zum Glück ne Stahlfelge. Mit einer weiteren Kugel hat der Typ scharfschützenstyle genau das T-Stück der Bremsleitung auf der Hinterachse getroffen. Kein Wunder, dass die komplette Bremsflüssigkeit innerhalb von ner Sekunde raus war. Beim Anblick des geborstenen T-Stücks hatte ich mich schon auf einen wochenlange Aufenthalt vor der Polizeistation eingestellt, Ersatzteile gibts ja nicht. So viel zum Thema weltweites Mercedes-Teilenetz. Alles für n Arsch. Wer Ersatzteile will, sollte mit nem Toyota kommen.

Aber dann der unerwartete Retter in der Not: Der Mechaniker! Hätte ja nicht gedacht, dass ich diesen Satz jemals über Westafrika niederschreibe. Der guckt sich das an, verschwindet für drei Stunden und kommt mit nem komplett nachgebauten T-Stück wieder. Hält nach 10 000 Kilometern immer noch. Der TÜV wird sich freuen.

Auto lief also wieder nach 6 Stunden. Dann war da aber noch die offiziell bürokratische Nummer zu klären. Auf Touris schießen ist hier nämlich auch nicht wirklich normal. Es gab dann unzählige Entschuldigungen von jedem Militärchef, den sie an diesem Tag in der Gegend auftreiben konnten und die Versichung, dass das nicht wieder vorkommt. Na dann. Der Schütze hat nichts gesagt. N bissl Geld wollten wir natürlich auch noch haben, die Felge sah ja schließlich ein wenig mitgenommen aus. Wir haben dann 100 Euro ausgehandelt, reicht für ne neue Felge. Beim Verursacher gabs diesen Monat nur Brot und Wasser. Seinen Job wird er aber weiterhin behalten.

Tjoah, und dann waren wir wieder unterwegs. Hat sich ja fast alles normal angefühlt. Mehr brauch ich dann auch von Cabinda nicht erzählen. Die Hauptstadt ist n Reinfall und der Rest nicht erwähnenswert. Nächstes mal gehts dann weiter mit dem Ritt durch den zweiten Kongo und die Ankunft im Rest von Angola. Das wird auch wieder gut!

Mehr muss zu Cabinda City nicht gesagt werden.

Viele Bilder gabs ja nicht, aber hier wirds später mehr geben. Die Einfahrt nach Cabinda könnt ihr hier auf der Karte nachvollziehen. Infos zur Grenze und dem Online-Visum wie immer hier.

8 Gedanken zu „Angola I – Unter Beschuss

  1. Oh man, gruselig! Habt ihr echt mega Glück gehabt… Jetzt muss ich zur Beruhigung gleich nochmal den Affenartikel lesen.

  2. Holy shit! Was für eine krasse Geschichte. Bitte bleibt am Leben und schriebt weiter!
    Viel Glück und gute Reise!

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